Kontakt-Sperre

Im englischen liest man über social distancing, bei uns nennt man es Kontakt-Sperre. Aber ist beides überhaupt richtig?

Haben wir keine sozialen Kontakte mehr? Ist es nicht eher so, dass wir, natürlich mit Abstand, wieder ein bisschen näher zueinander rücken?

Ich habe in den letzten Wochen so viel, wie schon lange nicht mehr, telefoniert. Und man höre und staune, das Festnetztelefon ist wieder zum Leben erweckt worden. Bis vor kurzem noch rief man lieber auf dem Handy an, jetzt wird wieder das Festnetztelefon bemüht. Man kann sich ja ziemlich sicher sein, das man am anderen Ende jemanden erreicht.

Für mich war die Vorstellung, dass ich nicht nur den Menschen am anderen Ende höre, sondern auch wirklich und wahrhaftig durch ein Kabel mit ihm verbunden bin, schon immer etwas Wunderschönes und Beruhigendes. Fast so wie Hände schütteln oder in den Arm nehmen.

Es gibt eine Studie aus dem Jahr 2010 von der Wissenschaftlerin Leslie Seitzer von der University Wisconsin-Madison.

In dieser Studie wurde untersucht, wie sich körperlicher Kontakt, ein Gespräch oder sich allein abreagieren z.B. mit Fernsehen, auf das Stress-Hormon Cortisol und auf das Bindungshormon Oxytocin, es stärkt die soziale Bindung, Vertrauen und reduziert Ängste, auswirken.

Dazu untersuchte sie enge Mutter-Tochter-Beziehungen. Die Tochter wurde in eine stressige Situation gebracht. Sie sollte vor einem großen Publikum eine Stegreif-Rede halten. Nach der Rede kamen drei mögliche Situationen zum Test. Die Tochter konnte allein vorm Fernseher ihren Stress abbauen, sie konnte ihre Mutter anrufen oder die Mutter holte sie an der Bühne ab und umarmte sie.

Wie ihr euch denken könnt, schnellte der Pegel des Stress-Hormons Cortisol sprunghaft in die Höhe. Nach einer Stunde war der Cortisol-Spiegel beim persönlichen Kontakt (Umarmung der Mutter) und beim Telefonkontakt (Gespräch mit der Mutter) wieder auf einem normalen Niveau. Wenn kein Kontakt zur Mutter stattgefunden hatte, blieb der Cortisol-Spiegel auf einem hohen Niveau. Übrigens funktioniert das nicht nur zwischen Mutter und Tochter, sondern auch zwischen Menschen, die sich etwas bedeuten.

Der Oxytocin Gehalt stieg 15 Minuten nach dem Treffen oder dem Gespräch steil an und war noch eine Stunde danach auf einem hohen Level. Nur Fernsehen hatte auf Oxytocin keine Wirkung.

Fazit:
Fernsehen macht nicht glücklich! Greift lieber zum Telefonhörer, ruft alle, die euch etwas bedeuten, an oder schreibt ihnen Nachrichten oder Briefe. Die „Kontakt-Sperre“ ist nur ein Distanz-Gebot.

Eure Birgitt