Heiße Sonne – kaltes Herz

Dieses Jahr 2018 meint es richtig gut mit uns. Die Sonne schien schon im April aus allen Knopflöchern. Ich konnte schon sehr früh in den Garten. Sogar die Pflanzen, die sonst bis nach den Eisheiligen auf die frische Luft warten müssen, konnten früher hinaus in die Welt. Die Blumen blühen wirklich üppig und Beerensträucher und Obstbäume haben rekordverdächtig Früchte angesetzt.

Herz, was willst du mehr!

Schlage ich Zeitungen auf, schalte ich Radio oder TV ein, dann schlägt mir allerdings eine eisige Kälte entgegen. Von Tag zu Tag verstärkt sich mein Eindruck, dass wir im Umgang miteinander gerade einen Weg einschlagen, der nichts mit Wärme, Mitgefühl oder Hilfsbereitschaft zu tun hat.

Das erlebe ich im täglichen Leben in der Nachbarschaft. Eigentlich interessiert sich keiner für den anderen. Rücksichtnahme? Wozu? Ich bin doch ein freier Bürger und darf das tun, was mir gefällt. Regeln? Fehlanzeige. Wer sich an Regeln hält, ist doch selbst schuld. Eigentlich kann man schon froh sein, wenn man einfach ignoriert wird.

Noch schlimmer geht es in den sogenannten sozialen Medien zu. Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen, Entgleisungen jeglicher Art sind gang und gäbe.

Aber nicht umsonst heißt es:
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer
… und  ein Kreuz eben noch keinen Christen …

Wo ist unsere Kultur geblieben? Die Kultur, die andere leiten soll?

Die letzte Spitzenveranstaltung war für mich der Konflikt zwischen unserem Innenminister und unserer Kanzlerin. Persönliche Beleidigungen, gezielte Diffamierungen ohne Sachbezug gegen die Kanzlerin von Deutschland … Also, in der Industrie oder in jedem kleinem Handwerksbetrieb wäre ein solcher Stänker fristlos gekündigt worden. Selbst die Firmenpension wäre ihm gestrichen worden.

Natürlich darf und muss man sich im Leben wie in der Politik auseinandersetzen. Natürlich darf man streiten das die Fetzen fliegen. Da wo zwei Menschen zusammenkommen, treffen auch immer zwei Meinungen und Ansichten aufeinander.

In der Partnerschaft weiß wohl jeder, dass Verletzungen nicht so leicht wieder zu kitten sind. Ein kleiner Stachel bleibt und die Wunde bricht beim nächsten Konflikt wieder auf, meist noch viel mächtiger als ursprünglich.

Aber öffentlich, unter gebildeten Menschen, sollte man doch meinen, dass die Fähigkeit trainiert wird, um eine Sache zu diskutieren.

Dies wäre aus meiner Sicht ein notwendiges Thema im Kindergarten, in der Schule, in der Arbeit, in der Familie. Lasst uns alle zusammen lernen wie wir miteinander streiten ohne zu beleidigen, ohne jemanden nieder zu machen oder sogar zu verletzen, seelisch oder körperlich.

Da wo die Sonne zurzeit heiß scheint, ist das Herz eiskalt oder vielleicht schon ganz und gar weg. Wo ist die Liebe hin? Anstelle von Mitgefühl und Freude tragen die Menschen Wut und Verachtung in der Brust. Die Volksvertreter, besonders ihre Führer, schüren Zwietracht und Hass, sprechen bewusst oder auch unbewusst das Niedrige, Abgründige, Böse in uns an. Steht uns eine traurige Zukunft bevor?

Ich beginne am besten im Kindergarten (ach ja, ich vergesse immer, dass ein Kindergarten heutzutage eine Kita ist), weil das richtige Streiten nur sehr, sehr selten in der Familie erlernt werden kann. Da ist das Machtspiel zwischen den Partnern oft schon am Toben. Vorleben ist also nicht.

Deswegen ist auch im Kindergarten nicht zu erwarten, dass die Tanten (Erzieherinnen) das ohne vorherige Schulung können. Gut, beginnen wir also bei der Ausbildung der Erzieherinnen. Oder doch eher wo anders?

Und wie? Wie die Wut, den Hass, die Diffamierung überwinden, die manchmal schon am Gartenzaun beginnen?

Wisst ihr was? Das und vieles mehr verrate ich euch bald.

All das gehört nämlich zu meinem neuen Projekt, was gerade im Entstehen ist:

„Mehr Mitgefühl – weniger Gier, mit Mitmenschen und der Natur“
ein  Weg zu einer fürsorglichen Gesellschaft.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Menschen diese Phase des Hasses und der Wut mit ein bisschen Unterstützung hinter sich lassen können. Sie können sich weiterentwickeln. Klüger werden. Verstehen, dass Wut, Hass und Verachtung ihnen selbst schaden. Sie werden beginnen, zusammen zu halten, in einer fürsorglichen Gemeinschaft leben.

Alles andere wäre ja Leben ohne jeglichen Sinn.

Gegen emotionale Armut

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Am letzen Freitag versprach ich Ihnen ein Präventionsprogramm um emotionale Armut zu verhindern. Ich möchte Ihnen hier die Zutaten zu einem erfolgreichen Programm vorstellen. Egal ob im Kindergartenalter, in der Schule oder allgemein im täglichen Leben, je mehr Zutaten bekannt sind und gebraucht werden, desto friedlicher, weltoffener und zufriedener werden die Menschen werden.

Wer einen guten Kuchen backen will, muss bekanntlich sieben Sachen haben. Für ein erfolgreiches Programm gegen die emotionale Armut brauchen wie nur drei wichtige Säulen: die emotionale Fähigkeit, Gefühle zu erkennen und zu benennen, die kognitive Fähigkeit, den Problemen des Lebens positiv und mit dem Willen sie zu lösen gegenüber zu treten und die kommunikative Fähigkeit, nonverbal Zeichen zu erkennen und verbal seine Vorstellung klar zu formulieren, zu zuhören und Kompromisse schließen zu können.

Hört sich eigentlich ganz einfach an, nur wo lernen wir das?

Wer viel Glück hat, erlernt die Fähigkeiten bereits in der Ursprungsfamilie. In vielen Familien wird aber kein Wert darauf gelegt, dass aufkeimende Gefühle erkannt, benannt und ernst genommen werden. Ist ein Junge weinerlich, folgt der Spruch: Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Mädchen dürfen zwar weinen, müssen aber „lieb“ sein und sich nicht wehren. Bevor Kinder ihre Gefühle richtig wahrnehmen, werden sie durch übergestülpte gesellschaftliche Normen reglementiert. Es wird erwartet, dass die Gefühle totgeschwiegen werden und man funktionieren muss. Wer sich selbst nicht versteht, wie soll der die Regungen und Gefühle anderer verstehen?

Wer schon nicht die eigenen Gefühle erkennt, der ist wahrscheinlich auch nicht in der Lage die Heftigkeit eines Gefühls einzuschätzen. Wenn ein Kind so richtig zornig wird, dann kann es schon einmal vorkommen, dass es dem anderen Kind einen Gegenstand über den Kopf zieht. Wenn dann Eltern nicht erklären, welche Schmerzen es dem anderen zugefügt hat, dann empfindet es kein Gefühl für sein Gegenüber und wird beim nächsten Mal wieder impulsiv und hart zuschlagen. Wenn die überzogene Handlung erkannt werden kann, kann auch eine angemessene erfolgen.

Am 28.10. habe ich mit der Biologie der Empathie beschrieben, wie anhand von Gesichtsausdrücken viele Menschen nachempfinden können, was ein anderer Mensch empfindet. Und das dies für unser friedliches Zusammenleben sehr wichtig ist. Allein an der Körperhaltung und am Blick können wir erkennen, ob ein Mensch aggressiv, devot oder selbstbewusst reagieren wird. Kann ich mich in einen anderen hineinversetzen, kann ich auch Lösungen finden, die für beide passen.

Ein erfolgreiches Präventionsprogramm könnte z.B. beinhalten:

  • Zum Beginn eines Tages abfragen, wie die Gefühlslage der Teilnehmer ist.
  • Emotionale Probleme thematisieren und gemeinsam nach Lösungen suchen. Viele Fragen stellen und sich in die Gemütslage des Berichtenden hineinversetzen.
  • Diskutieren lernen mit dialektischer Erörterung: These, Antithese, Synthese
    So wird erlernt zu einem Thema auch die Gegenargumente zu sammeln, zu verstehen und These und Antithese zu einer sinnvollen Synthese zusammen zu führen.
  • In Projekten die Kooperation stärken. Wenn alle unterschiedlichen, vorhandenen Fähigkeiten eingebracht werden, kommt man schneller zu einem besseren Ergebnis.
  • Lernen Kritik so anzubringen, dass sie nicht beleidigend oder herabwürdigend ist, sondern zu einem besseren Verständnis führt. Es hilft dabei den eigenen Standpunkt als „Ich“-Botschaft auszusprechen. Ich sehe… Ich empfinde… Ich fühle…
    Keine direkten Anschuldigungen oder aggressive Schlussfolgerungen ziehen, die es dem Anderen schwer machen Botschaften auf- und anzunehmen.
  • Beim Gespräch Blickkontakt aufnehmen, auf Körperhaltungen und Gesichtsausdruck achten.
  • Während des Tages immer wieder stressabbauende Tätigkeiten einfügen wie körperliche Bewegung, Entspannungstechniken wie Meditation, geführte Phantasiereisen, etc.
  • Den Tag beschließen, dass jeder seine Sorgen des Tages berichten und bewerten darf. Gemeinsam können kreative Wege besprochen und gefunden werden.
    Auf diesem Weg kann die Erkenntnis reifen, welches Gefühl hinter Verletzungen und Wut steckt und wie man mit Ängsten und Traurigkeit umgeht. So wird die Selbstverantwortung geschult, dass jeder Verantwortung für seine Entscheidungen übernehmen muss und Verpflichtungen eingehalten werden müssen.

Dieses oder ähnliche Programme führen zu mehr

  • Selbstsicherheit
  • Selbstbeherrschung
  • Rücksichtnahme (auch auf Schwächere)
  • Hilfsbereitschaft
  • Konfliktlösungsfähigkeit
  • Anteilnahme
  • Verantwortungsbewusstsein
  • Offenheit

In den USA gibt es seit einigen Jahren Schulen, die mit großem Erfolg die Lebenskunst-Schulungen (Self Science) anbieten.

Auch in deutschen Kindertagesstätten, Schulen, Universitäten werden vermehrt Schulungen der sozialen und emotionalen Kompetenz vorangetrieben. Argumente dafür sind u.a.( Quelle: Bildung von sozialen Kompetenzen in der Schule, Gisela Steins, Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Bildungswissenschaften, 2014)

„Soziale Kompetenzen stehen heute nicht mehr im Mittelpunkt der Erziehung; Disziplin bzw. die damit verbundenen Fähigkeiten sind out. Das bedeutet: Man kann nicht erwarten, dass Kinder bereit sind, diese Investition von sich aus zu tätigen.“

„Wir tun gut daran, diese Kulturtechniken weiterzugeben, denn von ihnen hängt ganz entscheidend die Zukunft unserer Gesellschaft ab. Viele negative Ereignisse der Menschheits-geschichte wären anders verlaufen, hätten die Beteiligten fundierte Kenntnisse und Fähigkeiten eines angemesseneren Umgangs miteinander zur Verfügung gehabt.“