Die Macht der Medien

Wenn ich Nachrichten lese, sehe oder höre, kommt es mir oft so vor, als ständen wir vorm Weltuntergang. Geht es nur mir so? oder betrifft es viele? Was machen Sie mit den Meldungen, die Sie beim Morgenkaffee schon dazu bringen in Depressionen zu verfallen?

Meine erste Begegnung mit einer solchen Nachricht hatte ich in der Tagesschau am Abend des 6.Oktobers 1981.  Am 6. Oktober 1981 wurde Mohammed Anwar as-Sadat während einer Militärparade in Kairo erschossen, nicht live aber dennoch als Film anzuschauen im Fernsehen. Da hatte ich zum ersten Mal Zweifel, ob Berichterstattung so sein muss, ob nicht eine verbale Meldung mit einem eingeblendeten Bild vom lebenden Anwar as-Sadat die Meldung inhaltlich genauso gut an das Publikum gebracht hätte.

Ich war erschrocken über die Brutalität zu einer Sendezeit, in der auch noch Kinder vorm Fernseher sitzen durften und habe jahrelang keine Nachrichten mehr geschaut. Auch heute tue ich es nur sehr bedingt.

Ich frage mich auch, warum nur Katastrophenmeldungen eine gute Quote bringen. Sind wir Menschen wirklich mehrheitlich so veranlagt, dass wir uns am besten fühlen, wenn es anderen draußen in der Welt so richtig schlecht geht und wir uns gruseln können? Wenn wir uns anerkennend auf die Schulter klopfen und sagen, bei uns ist eben alles besser?

Aber was machen diese destruktiven, negativen Meldungen mit uns? Können Sie anschließend gut schlafen oder wälzen Sie sich im Bett und fragen sich, kann so etwas vielleicht auch hier passieren? Und zack, verunglückt, stirbt eine bekannte Persönlichkeit genauso wie in unserem Albtraum. Schon fühlen wir uns in unserer Sicherheit bedroht.

Angst macht unfrei, Angst macht uns manipulierbar, Angst soll uns gefügig machen.

So werden wir zu dem Häufchen Elend, das unsere Führung aus uns machen will. Dann können sie uns mit mannigfaltigen Angeboten, wie sie uns beschützen werden, zur Wahlurne locken. So kommt man an die Macht.

Je emotionaler die Diskussion geführt wird, desto mehr reagiert unser urzeitliches Reptilien-Gehirn, der Verstand wird ausgeschaltet und auf Flucht-Reaktion eingestellt. Wir laufen nur noch der „Rettung“ hinterher.

Die Gesellschaft der Deutschen Sprache (GfdS) erklärte „postfaktisch“ zum Wort des Jahres 2016. Damit wollte sie darauf aufmerksam machen, dass wir uns in einem „tiefgreifenden politischen Wandel“ befinden.

In der Begründung der GfdS heißt es, dass in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen heute zunehmend Emotionen wichtiger seien als Fakten. „Immer größere Bevölkerungsschichten sind in ihrem Widerwillen gegen „die da oben“ bereit, Tatsachen zu ignorieren und sogar offensichtliche Lügen bereitwillig zu akzeptiere“. Das sind dann leicht Opfer von Fake-Nachrichten, für die wir wieder Beschützer und Gesetze brauchen.

Was läuft denn da so schief? Ist nur die Medien-Welt Schuld? Oder haben wir Menschen verlernt, oder gar nie gelernt uns unsere eigene Meinung zu bilden?

Ich kann mich noch gut an den Deutsch-Unterricht meiner Schulzeit erinnern, in dem meine Deutschlehrerin mich mit „Erörterungs-Aufsätzen“ gemäß der Hegel’schen Dialektik quälte. Sie hieß noch „Fräulein“ Otto als Zeichen des Unverheiratet-Seins und nicht des Alters, übrigens war sie stolz darauf. In Erörterungen musste ein Problem von allen Seiten betrachtet werden. Einer Aussage = These musste eine Gegendarstellung = Antithese gegenüber gestellt werden. Dann wurden beide, These und Antithese, mit Argumenten hinter füttert. Aus der Vielzahl der Argumente formulierte man dann eine Synthese, man könnte es wohlwollend eine Lösung oder böswilliger einen Kompromiss nennen.

Beim ersten Versuch sagte ich meiner Lehrerin, das kann ich nicht! Ich kann doch nicht Argumente für die Gegenseite bringen! Sehr bestimmt und ohne Widerspruch zu dulden antworte sie, doch das können Sie (wir wurden damals in der Oberstufe noch gesiezt). Das ist eine Methode, die Sie auf das Leben vorbereitet. Sie schult Ihren Verstand, denn Sie werden nicht immer mit dem Kopf durch die Wand gehen können und Leben bedeutet Lösungen finden, Kompromisse schließen, offen sein für die Meinung anderer und sie begreifen lernen. Das trägt zum Gemeinwesen einer Gesellschaft bei. Nur wer sich in die Denkweise eines anderen hineinversetzen kann, kann im Leben erfolgreich sein.

Diese Standpauke habe ich mein Leben lang nicht vergessen und ich bin meiner Lehrerin heute noch dankbar dafür. Danke, Fräulein Otto!

Heute werden wir mit unzähligen Meldungen und Interpretationen zugeschüttet. Es fällt schon schwer diese überhaupt zu sortieren und einzuordnen, geschweige denn ihren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen.

Und schauen wir uns die Schlagzeilen doch einmal an. Es sind singuläre Ereignisse, die fast immer „bad news“ sind:
Massenkarambolagen, Flugzeugabstürze, Terror-Attacken, Naturkatastrophen, Bombardierungen, Hinrichtungen, Kriege, Menschen auf der Flucht,…

„Good news“ erscheinen dagegen sehr selten und wenn schon gar nicht in den Schlagzeilen. Gut, vielleicht bekommt irgendein Star, eine Königin ein Kind oder heiraten. Aber selbst dann überwiegen die Befürchtungen: sie gefährdet ihr Kind, mit 50 noch ein Kind, auch das Kind kann die Ehe nicht retten,…

Wissen wir eigentlich wie gut es uns wirklich geht? Wollen wir das wissen? Lesen Sie von Zeit zu Zeit auch mal etwas Positives? Interessieren Sie sich für die Meinungen der Gegenseite oder lassen Sie nur gelten, was Sie sowieso schon denken?

Ich erinnere mich daran, dass mein Vater gern ein Zitat von Mark Twain zum Besten gab.

Wir schätzen die Menschen, die frisch und offen ihre Meinung sagen, vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie wir.