Zwischen FRIEDEN und Abgrund

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Die Stimmung der Menschen kann sehr schnell umschlagen. Wer heute noch friedlich, kann sich morgen schon geknechtet, benachteiligt, hintergangen fühlen. Dann fällt jegliche Propaganda auf einen nährstoffreichen Boden und kann sehr bald in Gefühlslosigkeit und Kälte gegenüber anderen Lebewesen umschlagen.

Unsere digitale Gesellschaft scheint bestens dafür geeignet auf Manipulationen von selbst ernannten Gurus reinzufallen. Einer fängt an seine gefärbten Meinungen mit Zahlen (ob wahr oder nicht) zu hinter füttern. Der nächste fühlt sich angesprochen und läuft mit. Unterstützt durch die sozialen Netzwerke und Suchmaschinen, die nur anbieten, was man sehen möchte, was zu der Vorauswahl passt, wird aus einem Schneeball eine Lawine und die Masse fragt nicht mehr nach Argumenten sondern holt sich „das Fleisch von den Knochen“.

Der folgende Text von Bertold Brecht fragt danach, was denn um Himmels Willen die Menschen so kalt gemacht habe, dass sie ihrem ehemaligen Kameraden, auch wenn der nur ein Pferd ist, bei noch lebendigem Leibe das Fleisch von den Knochen schneiden.

Brecht lässt das sterbende Pferd für seine Peiniger bitten: „So helft ihnen doch.“ Das ist nicht nur eine uneigennützige Bitte, sondern ein Flehen aus Verzweiflung, aus Sorge und Angst: „Sonst passiert euch etwas, das ihr nicht für möglich haltet!“

 

EIN PFERD KLAGT AN
von Bertold Brecht

Ich zog meine Fuhre trotz meiner Schwäche.
Ich kam bis zur Frankfurter Allee.
Dort denke ich noch: O je!
Diese Schwäche! Wenn ich mich gehenlasse,
kann ’s mir passieren, dass ich zusammenbreche.
Zehn Minuten später lagen nur noch meine Knochen auf der Straße.

Kaum war ich da nämlich zusammengebrochen,
(Der Kutscher lief zum Telefon)
da stürzten aus den Häusern schon
hungrige Menschen, um ein Pfund Fleisch zu erben.
Rissen mit Messern mir das Fleisch von den Knochen.
Und ich lebte überhaupt noch und war gar nicht fertig
mit dem Sterben.

Aber die kannt‘ ich doch von früher, die Leute!
Die brachten mir Säcke gegen die Fliegen doch.
Schenkten mir altes Brot und ermahnten
meinen Kutscher, sanft mit mir umzugehen.
Einst mir so freundlich und mir so feindlich heute!
Plötzlich waren sie wie ausgewechselt!
Ach, was war mit ihnen geschehen?

Da fragte ich mich: Was für eine Kälte
muss über die Leute gekommen sein!
Wer schlägt da so auf sie ein,
dass sie jetzt so durch und durch erkaltet?
So helft ihnen doch! Und tut das in Bälde!
Sonst passiert euch etwas, was ihr nicht für möglich haltet!

Schreiben gegen Angst und für Ihre Wünsche

Angsttagebuch

Wer sein eigenes Leben führen will, muss sich mit seinen Ängsten, Sorgen, Problemen, Wünschen, Vorstellungen, Ideen, Plänen auseinandersetzen.

Wie wäre es, wenn wir beginnen würden uns mit uns selbst zu beschäftigen und niederschreiben würden, was uns bewegt?

Ich weiß, Sie sind vielbeschäftigt, haben keine Zeit für solch einen Firlefanz.

Und wie war das gestern Abend bei der Tagesschau? Sie hatten Zeit, sich die Ängste anderer anzuhören, was die Menschheit bewegt und haben keinen Moment darüber nachgedacht, was Sie bewegt.

Nach der Tagesschau kam eine Politiksendung, danach eine Talk-Show und Sie hatten Zeit, weiter sich den Nöten anderer zu widmen. Sie hören Ihrer Frau oder Ihrem Mann zu, den Kindern, den Nachbarn, Freunden, Ihrem Chef, … und Sie haben keine Zeit eine Viertelstunde für sich abzuzweigen, sich in die Ecke zu setzen, Ballast des Tages abzuwerfen und sich Ihren Ängsten, Sorgen, Problemen oder Vorstellungen, Ideen, Plänen und Wünschen zu nähern?

Es gibt keinen vernünftigen Grund, das nicht zu tun. Oder fürchten Sie sich davor, über sich selbst nachzudenken? Haben Sie Angst Seiten an sich zu entdecken, die Sie gar nicht kennen lernen möchten?

Werden Sie nicht ein manipulierbarer Mensch ohne eigene Meinung, ohne eigene Ideen und eigene Ansichten.

In der heutigen Zeit ist es „in“, keine Zeit zu haben, lieber Sport zu treiben, sich anzuschließen (wem auch immer), um dabei zu sein. Befreien Sie sich von diesem Mitläufertum. Denken Sie wieder selber und lassen Sie nicht denken. Das kann gehörig schief gehen, wie unsere jüngste geschichtliche Vergangenheit beweist.

Eine große Hilfe auf dem Weg der Befreiung kann das Aufschreiben der Gedanken, die Sie bewegen, sein. Das Aufschreiben befreit Sie davon, weiter an dem einen Gedanken festzuhalten und schafft so Raum für neue Gedanken. Aufschreiben ist die beste selbstdurchgeführte Psychoanalyse und -therapie. Je genauer wir unsere Gedanken formulieren, desto besser können wir sie bearbeiten. Seien es Ängste und Sorgen, die aufgeschrieben, manchmal schon kleiner werden, weil man sie besser erkennt und versteht. Seien es Ideen, Vorstellungen und Pläne, die durch Konkretisierung viel schneller machbar werden.

Durch wiederholtes Lesen des Aufgeschriebenen prägen sich die Inhalte viel besser ein. Die Gedanken sind zielgerichteter und realer.

Wenn Sie möchten, können Sie sich auch Merkzettel an die Wand kleben, an den Spiegel im Bad oder an sonstige Stellen, auf die Ihr Blick mehrmals am Tag fällt.

Mein Vorschlag:

„Ich kümmere mich um mich und meine Vorstellungen und das, was für mich wichtig ist.“

„Ich lasse mir keine Angst machen, durch Vorstellungen und Vorurteile anderer.“

oder auch:

„Ich denke selbst. Ich lasse nicht denken.“

Kaufen Sie sich ein kleines Büchlein und nehmen Sie für jeden Gedanken eine neue Seite. Dann schreiben Sie ohne zu zögern auf, was Sie bewegt. Z.B. als Frage „Was beunruhigt mich eigentlich?“ oder als Wunsch „Ich möchte meine Wohnung renovieren.“ oder als Feststellung „Mein Nachbar geht mir auf die Nerven.“ Nehmen Sie einen Gedanken, nach dem Sie nicht lange suchen mussten und stellen Sie nun ganz viele Fragen zu dem Eingangssatz. Wie „Warum geht mir mein Nachbar auf die Nerven und mit was?“ Schreiben Sie so lange, bis Ihnen zu diesem Thema nichts mehr einfällt.

Sie werden schon nach kurzer Zeit bemerken, dass das Aufschreiben großen Nutzen bringt. Sie erfahren so eine Menge Dinge über sich selbst: Welche Rolle spiele ich, wer bin ich wirklich, wer möchte ich sein, wo manipuliert mich meine Umwelt, damit ich Angst bekomme und tue, was man von mir will. Sie erkennen Zusammenhänge, erweitern Ihren Horizont, werden kreativer und haben eine Grundlage für spätere Realisierung.

Viel Spaß auf dem Weg der Befreiung und Selbsterkenntnis!