Niemals klug genug …

Mir ist ein bisschen bang, was ich in Facebook, Twitter, und anderen Social Medias lese. Welche Ängste, welche Sorgen und welche Meinungen zu Corona kursieren.

Ich werde traurig und fast wütend, wenn ich die ganzen Entschuldigungen von Politikern lese. Weder Mediziner noch Politiker sind Götter. Wenn alle nach bestem Wissen und Gewissen handeln und entscheiden, dann geht eben nicht mehr.

Am Abend wird man klug
für den vergangenen Tag,
doch niemals klug genug
für den, der kommen mag.
Friedrich Rückert

So ist es! Und wenn jemand es anders sieht, denke ich, dass aus Angst, Existenznot, Ärger, Zorn, Wut, oder ähnlichen Emotionen, das klare Denken ein wenig getrübt ist.

Nein, ich bin weder Virologin, Medizinerin oder ähnliches. Ich bin nur berufsbedingt auf unterschiedlichen wissenschaftlichen Datenbanken unterwegs. Von Natur aus sehr neugierig, hatte ich wegen verordnetem Rückzug viel Zeit zu lesen, an Online-Kongressen, -Tagungen, -Pressemitteilung teilzunehmen.

Als Diplom-Mathematikerin ist mir ein wissenschaftlicher Diskurs bekannt und geläufig.  Was bedeutet, dass jede wissenschaftliche Erkenntnis oder Methode den Status der Wissenschaftlichkeit erst durch die Zustimmung aller Beteiligten eines wissenschaftlichen Diskurses erreicht. An einem wissenschaftlichen Diskurs nehmen idealerweise die Menschen teil, welche die Kompetenz dazu haben. In wissenschaftlichen Datenbanken werden Annahmen, die diesen wissenschaftlichen Diskurs durchlaufen haben, oft mit Peer reviewed gekennzeichnet. So erkennt man, ob es sich nur um eine Beobachtung und Diskussionsgrundlage handelt, oder ob andere Wissenschaftler zum gleichen Ergebnis gekommen sind. Sind Studien (in der Medizin Doppelblindstudien) dazu hinterlegt, spricht man auch von Evidenz basiert.

All das fehlt mir in einer Anzahl von Diskussionen, Meinungen, Behauptungen.

Letzte Woche habe Ich an einer internationalen Diskussionsrunde der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zum Thema „Herausforderungen bei der Covid-19-Impfung“ teilgenommen.

Ich habe einige Punkte, die mir sehr wichtig erschienen, mitgeschrieben:

  1. Einen Impfstoff zu finden, zu produzieren und seine Wirksamkeit nachzuweisen dauerte bisher ca. 8 Jahre.
    Der Covid19-Impfstoff steht nach 8 Monaten zur Verfügung.
  2. Eine Pandemie ist vorbei, wenn jedes Land der Welt diesen Virus im Griff hat und es nicht wieder zu einem Ping-Pong-Effekt durch Reisen kommen kann.
  3. Die größte Herausforderung nach der Entwicklung des Impfstoffes ist nun die Produktion, die Verteilung, genügend ausgebildetes Personal und das Impfen.
  4. Dazu ist es wichtig, dass die Bevölkerung Vertrauen zur Impfung hat.
  5. Die Wissenschaft und der wissenschaftliche Diskurs finden erfolgreich nur in internationalem Verbund statt. U.a., um Mutanten rechtzeitig zu erkennen und zu bekämpfen.
  6. Die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Bevölkerung ist der wichtigste Faktor. Vertrauen ist notwendig. Hier wohl in die Entscheider in der Politik und wer dazu mit einbezogen wird.
  7. Priorität zur Entwicklung eines Impfstoffes ist immer zu verhindern, dass die Krankheit bei geimpften Personen ausbricht.
  8. Danach erst wird geforscht, ob die geimpften Personen noch ansteckend sind. Darüber weiß man bei Covid-19 zurzeit zu wenig.
  9. Der Impfstoff gibt Hoffnung!
    Aber noch mit Einschränkungen!

Ich weiß, dass einige von euch um ihre Existenzen bangen, Restaurant-, Hotel-Besitzer, Friseur-, Fitness-Geschäfte, Künstler, um nur einige beispielhaft aufzuzählen. Ich weiß, dass es ungerecht ist, während andere an dieser Pandemie Gewinne machen. Ich weiß auch, dass das wütend, zornig macht und ungerechte Urteile über manchen Entscheider gefällt werden.

Aber, wir kommen nur gemeinsam aus dieser Situation heraus. Ich persönlich finde die Vorstellung, dass die Welt in Krieg mit einem Virus lebt, gar nicht falsch. Ein Krieg ist meist nur auf eine Region beschränkt. Eine Pandemie betrifft die ganze Welt.

Auch wenn der eine oder die andere ungeduldig werden oder sind, meine Meinung ist, dass die Wissenschaft Großartiges vollbracht hat, dass unsere Politik nicht allwissend ist und wir einfach den Weg denkend, aber geduldig mitgehen sollten.

Eure Birgitt

Dialog der Kulturen für den FRIEDEN

Wie in unserer medialen Gesellschaft üblich ist der „Kampf der Kulturen“ spätestens seit Erscheinen des Buches „Clatch of Civilizations “ von Samuel Huntington im Jahr 1996 in aller Munde. Huntington zeichnet das Menetekel des Verblassens des Westens und das Erstarken des Islams an die Wand. Thilo Sarrazin schlägt in die gleiche Kerbe. Mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ schürt er Ängste und darf ungestraft rassistische Aussagen tätigen.

2007 erteilten Ilija Trojanow, deutscher Schriftsteller bulgarischer Abstammung, und Ranjit Hoskoté, indischer Schriftsteller, Huntington eine „Kampfabsage“: Kulturen bekämpfen sich nicht, sie fließen ineinander. Kulturen verfügen nicht über eine unüberbrückbare Abgrenzung von anderen Kulturen und einen unveränderlichen Kern. Dies, so die Autoren, seien nur historische Mythen, denn der Austausch in Kunst, Philosophie oder Wirtschaft führte erst zur Entwicklung der westeuropäischen Gesellschaften hin zu ihrem jetzigen Stand. Anhand von Esskultur, Kunst, Musik, Mode, Architektur und Technologie legen sie dar, dass es immer eine Annäherung oder Durchmischung der Kulturen gegeben hat.

„Weltpoesie allein ist Weltversöhnung“ war das Motto des Dichters und Sprachgelehrten Friedrich Rückert, der 40 Sprachen beherrschte.

Viele klassische deutsche Dichter waren offen für ferne Kulturen. Viele Gedanken, aber auch poetische Formen und Motive gingen in die deutsche Dichtung über. Die deutsche Klassik ist ein großer kultureller Dialog.

Wer kennt nicht Lessings „Nathan, der Weise“ mit der berühmten Ringparabel über die drei großen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Oder Goethes Dialog mit dem persischen Dichter Hafis im Westöstlichen Divan. Auch Schillers Turandot (die auf ein persisches Märchen über eine chinesische Prinzessin zurückgeht) oder Heines Gedicht über den persischen Dichter Firdausi und viele, viele mehr.

In der Dichtung anderer Kulturen und in der eigenen Gemeinsamkeiten zu entdecken, macht Freude. Deswegen eignet sich die Weltpoesie so gut für den Dialog der Kulturen.

Dieser Dialog der Kulturen würde sich auf die deutsche Kultur in mehrfacher Hinsicht positiv auswirken. Viele Deutsche kennen ja die wunderbare Dichtung in ihrer Muttersprache gar nicht mehr. Vielleicht lernt so mancher wieder die Schönheit der deutschen Dichtung durch Beschäftigung mit der Weltpoesie kennen und findet auf diesem Weg wieder Zugang zu den deutschen Dichtern, die an diesen fremden Kulturen dasselbe liebten wie ich heute.

Ich möchte meinen heutigen Beitrag mit einem Zitat von einem meiner Lieblingsdichter Rabindranath Tagore beschließen:

„Nicht der Boden ist das Vaterland,
sondern die Menschen darauf.“