Nobody is perfect – ich auch nicht

Was in Deutschland zurzeit über Politiker in den Medien abgeht, wie sich Politiker untereinander verhalten, wie überhaupt Menschen miteinander umgehen, lässt mich erahnen, wie viele Verletzungen im Leben so täglich, stündlich, minütlich passieren. Wie gedankenlos das Miteinander abläuft.

Ich bin kein Freund davon, zu behaupten, dass wir nur das gespiegelt bekommen, was wir selber sind und geben. Aber so einen kleinen Verdacht habe ich doch, dass es nicht ganz falsch ist.

Mein ganz großer Verdacht zielt allerdings auf etwas ganz anderes. Dazu muss ich etwas über mich erzählen.

Bevor ich mich selbständig machte, war ich lange Jahre als Führungskraft eines großen Münchner Unternehmens tätig. Nachdem mein Lebensalter eine 5 an der ersten Stelle hatte, war zu erkennen, dass mich viele Jüngere gern beerben wollten. Dazu gibt es subtile und auch nicht subtile Methoden um das Ziel zu erreichen. Um diese Kränkungen und Verletzungen aus meinem Leben zu schaffen, habe ich hart an mir gearbeitet. Und saß bisher auch dem Glauben auf, alles verarbeitet zu haben.

Letzte Woche traf ich mich mit einer Freundin und wir kamen so ins Gespräch über die Ereignisse um uns herum. Und siehe da, erwischt! Eine Äußerung von mir über das Schicksal meiner „Peiniger“ zeigt so deutlich wie es nur geht (nämlich die pure Schadenfreude auf meiner Seite), es ist immer noch ein Stachel in mir.

Und wie es im Leben oft ist, lief mir Byron Katie (natürlich nur symbolisch) in den letzten Tagen mehrmals über den Weg. Byron Katie ist die Gründerin der Methode „The Work“. The Work ist eine ziemlich einfach Methode, um zu erkennen, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt. Jeder Mensch sieht eine Situation ja erst einmal aus seiner eigenen Sichtweise und glaubt fest daran, dass sei nun unumstößlich. Andere Beteiligte können aber dieselbe Situation ganz anders beurteilen.

So ist das eben auch bei einem Konflikt oder wenn man glaubt, es gäbe nur eine Lösung. Die Sichtweisen und/oder Gefühle der anderen Beteiligten werden nicht in Betracht gezogen. Muss doch jeder so empfinden wie ich! Oder etwa nicht?

Wenn man erkennt, dass die eigenen Gefühle und Denkweisen nicht die „allein selig machenden“ sind, dann kann man auch Bereitschaft zu einem Miteinander entwickeln und gemeinsame Lösungen finden.

Das setzt aber voraus, dass ich die Einsicht erlange, dass ich nicht perfekt bin.

Die Erkenntnis nicht perfekt zu sein, öffnet wiederum Tore, an sich selbst zu arbeiten und Verständnis für die anderen aufzubringen.

Da muss ich gleich noch ein Ereignis aus meinem angestellten Berufsleben berichten. Ziemlich zum Schluss meines Angestelltenlebens hatte ich eine jüngere Chefin, die jede Besprechung damit krönte zu sagen: Ich mache keine Kompromisse.

Daran denke ich sehr oft. Das ganze Leben und Zusammenleben ist eine lange Kette zeitlich aneinandergereihter Kompromisse. Ich hoffe für die ehemalige Chefin, dass sie irgendwann dazu gelernt hat und auch zu dem Ergebnis gekommen ist.

Abschließend gesagt, Hass und Kampf machen krank und hässlich. Das wirkt wie eine gemeine Droge, die süchtig macht und langsam das Gehirn vernebelt.

Besser ist es, an sich zu arbeiten auf dem Weg zu einem friedlichen und glücklichen Leben.

Am allerbesten wäre, wir würden schon bei unseren Kindern damit anfangen Mitempfinden und Empathie zu erwecken. Dann  müsste in der Schule die dialektische Diskussion ein Pflichtfach werden. Zur Erinnerung, Dialektik ist die philosophische Disziplin, in der gegensätzliche Standpunkte diskutiert werden, um am Ende zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen.

Dann können wir unterm Strich wieder sagen:

Wie es auch sei, das Leben, es ist gut.
Johann Wolfgang von Goethe