Unseren Wunschzettel, geschrieben an den Weihnachtsmann, legten wir in meiner Kindheit in die Fensterbank und hofften, dass er dort von eben diesem Weihnachtsmann abgeholt würde.
1967 wurde das erste Weihnachtspostamt Deutschlands in Himmelsthür bei Hildesheim eingerichtet. Dorthin konnte man seinen Wunschzettel adressiert „An den Weihnachtsmann in Himmelsthür“ schicken.
Der Brauch des Wunschzettels ist kaum älter als 100 Jahre. Das Wünschen selbst ist sicher schon viel älter.
Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts waren Weihnachtsbriefe und Wunschzettel prunkvoll verzierte, aufwendig kolorierte Schmuckbögen, die nicht an Christkind oder Weihnachtsmann gerichtet waren, sondern an Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel. Die Kinder dankten darin ihren Erziehungsberechtigten, baten um Gottes Segen und gelobten Gehorsam, Fleiß und gutes Benehmen.
„Der Konsumterror begann erst im späten 19. Jahrhundert mit der Entstehung der Spielzeug-industrie“, berichtet Kultur- und Kunsthistoriker Torkild Hinrichsen, der langjährige Direktor des Altonaer Museums in Hamburg.
Was folgendes Gedicht anschaulich beweist.
Der kleine Nimmersatt
Ich wünsche mir ein Schaukelpferd,
’ne Festung und Soldaten
und eine Rüstung und ein Schwert,
wie sie die Ritter hatten.
Drei Märchenbücher wünsch‘ ich mir
und Farbe auch zum Malen
und Bilderbogen und Papier
und Gold- und Silberschalen.
Ein Domino, ein Lottospiel,
ein Kasperletheater,
auch einen neuen Pinselstiel
vergiss nicht, lieber Vater!
Ein Zelt und sechs Kanonen dann
und einen neuen Wagen
und ein Geschirr mit Schellen dran,
beim Pferdespiel zu tragen.
Ein Perspektiv, ein Zootrop,
’ne magische Laterne,
ein Brennglas, ein Kaleidoskop –
dies alles hätt‘ ich gerne.
Mir fehlt – ihr wisst es sicherlich –
gar sehr ein neuer Schlitten,
und auch um Schlittschuh‘ möchte ich
noch ganz besonders bitten.
Um weiße Tiere auch von Holz
und farbige von Pappe,
um einen Helm mit Federn stolz
und eine Flechtemappe.
Auch einen großen Tannenbaum,
dran hundert Lichter glänzen,
mit Marzipan und Zuckerschaum
und Schokoladenkränzen.
Doch dünkt dies alles euch zu viel,
und wollt ihr daraus wählen,
so könnte wohl der Pinselstiel
und auch die Mappe fehlen.
Als Hänschen so gesprochen hat,
sieht man die Eltern lachen:
„Was willst du, kleiner Nimmersatt,
mit all den vielen Sachen?
„Wer so viel wünscht“ – der Vater spricht’s –
„bekommt auch nicht ein Achtel –
der kriegt ein ganz klein wenig Nichts
in einer Dreierschachtel.“
Heinrich Seidel, 1842-1906
Heute gibt es viele grosse und kleine Nimmersatts, Nachfolger von o. beschriebenen. Nichts was er hat, ist genug. Er schaut in die Runde, beklagt sein Los, am Herzen nagt ein ekliger Wurm, namens Neid. Der, der nicht Wunsch auf Wunsch äußert, kennt und beherzigt das Lied: Was frag ich viel nach Geld und Gut, wenn ich zufrieden bin. Schenkt Gott mir nur gesundes Blut, dann hab ich was ich will.
Klar, man darf man auch Wünsche haben, aber dabei hübsch bescheiden bleiben.
Das Schielen auf Hab und Gut des Anderen, das Vergleichen, wer hat mehr, ist eine große Krankheit, heute und wohl schon immer solange die Welt existiert (siehe Kain und Abel).
Ein kleiner Nimmersatt kann noch von seinen Eltern geleitet werden, so wie es der Vater in dem Gedicht sagt und hoffentlich vorlebt. Leider kommt es mehr und mehr in Mode, dass Zuneigung „gekauft“ wird, von Eltern, Stiefeltern, Patchwork-Eltern, Großeltern, usw. Dann erfährt das Kind Überfluss ohne wirklich glücklich damit zu sein. Ich sehe das ganz häufig, dass Kinder in Unmengen von Spielzeug sitzen und nichts mit sich und diesem Spielzeug anzufangen wissen. Sie quengeln dann ihre Eltern zu und die Eltern verstehen die Welt nicht mehr, warum das Kind nicht zufrieden ist.
Schließllich und endlich werden daraus Erwachsene, die nicht wissen, wann genug genug ist. Und davon kennen wir alle doch genug und haben genug davon.
Zufrieden sein ist das Zauberwort wie in dem zitierten Lied …“wenn ich zufrieden bin“…