Dritter Advent

Heute Morgen bin ich aufgewacht, die Sonne lachte aus allen Knopflöchern und der Wind war deutlich milder, aber immer noch stark. Mit anderen Worten, heute ist ein Wetter, wie ich es liebe. Draußen  riecht es eher nach Frühling als nach Weihnachtszeit. Auch die Temperatur ist mit 13 Grad frühlingshaft.

Es ist nicht eine Jahreszeit, die uns glücklich macht, sondern das gesamte Ensemble aller Jahreszeiten oder wie Heinrich Seidel in seinem Gedicht Jahreszeiten schließt:

Ob der Frühling grünt und blühet,
Sommer  steht in goldenem Kleid,
ob der Herbst in Farben glühet,
ob’s im Winter friert und schneit —
glücklich, wem es stets gefällt!
O wie herrlich ist die Welt!

Ich wünsche euch einen herrlichen dritten Advent.

Der erste Schnee

Heute Nacht ist der erste Schnee gefallen. Am frühen Morgen waren alle Hausdächer, Büsche, Bäume und Pflanzen mit weißem Puderzucker überstäubt. Da fiel mir ein Gedicht aus einem Lesebuch ein.

Ans Fenster kommt und seht,
was heute vor sich geht:
Es kommt vom grauen Himmel
in dämmerndem Gewimmel
der erste Schnee herab.

Die Flocken, auf und ab
wie Schmetterlinge fliegen sie,
wie weiße Blätter wiegen sie
in leichten Lüften sich .

Hurra! Wie freu ich mich!
Nun laßt uns gleich mal sehen,
wo unsere Schlitten stehen,
Der große und der kleine,
der meine und der deine!
Mariechen, zieh den Mantel an!
Da draußen gibt es Schlittenbahn.

von Heinrich Seidel (1842- 1906)

Der erste Schnee war für mich als Kind immer etwas ganz Besonderes. Ich konnte mich dann lange an das Fenster setzen und dem Flocktreiben zuschauen. Es war wirklich zauberhaft.

Der Wunschzettel

WunschzettelUnseren Wunschzettel, geschrieben an den Weihnachtsmann, legten wir in meiner Kindheit in die Fensterbank und hofften, dass er dort von eben diesem Weihnachtsmann abgeholt würde.

1967 wurde das erste Weihnachtspostamt Deutschlands in Himmelsthür bei Hildesheim eingerichtet. Dorthin konnte man seinen Wunschzettel adressiert „An den Weihnachtsmann in Himmelsthür“ schicken.

Der Brauch des Wunschzettels ist kaum älter als 100 Jahre. Das Wünschen selbst ist sicher schon viel älter.

Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts waren Weihnachtsbriefe und Wunschzettel prunkvoll verzierte, aufwendig kolorierte Schmuckbögen, die nicht an Christkind oder Weihnachtsmann gerichtet waren, sondern an Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel. Die Kinder dankten darin ihren Erziehungsberechtigten, baten um Gottes Segen und gelobten Gehorsam, Fleiß und gutes Benehmen.

„Der Konsumterror begann erst im späten 19. Jahrhundert mit der Entstehung der Spielzeug-industrie“, berichtet Kultur- und Kunsthistoriker Torkild Hinrichsen, der langjährige Direktor des Altonaer Museums in Hamburg.

Was folgendes Gedicht anschaulich beweist.

Der kleine Nimmersatt

Ich wünsche mir ein Schaukelpferd,
’ne Festung und Soldaten
und eine Rüstung und ein Schwert,
wie sie die Ritter hatten.

Drei Märchenbücher wünsch‘ ich mir
und Farbe auch zum Malen
und Bilderbogen und Papier
und Gold- und Silberschalen.

Ein Domino, ein Lottospiel,
ein Kasperletheater,
auch einen neuen Pinselstiel
vergiss nicht, lieber Vater!

Ein Zelt und sechs Kanonen dann
und einen neuen Wagen
und ein Geschirr mit Schellen dran,
beim Pferdespiel zu tragen.

Ein Perspektiv, ein Zootrop,
’ne magische Laterne,
ein Brennglas, ein Kaleidoskop –
dies alles hätt‘ ich gerne.

Mir fehlt – ihr wisst es sicherlich –
gar sehr ein neuer Schlitten,
und auch um Schlittschuh‘ möchte ich
noch ganz besonders bitten.

Um weiße Tiere auch von Holz
und farbige von Pappe,
um einen Helm mit Federn stolz
und eine Flechtemappe.

Auch einen großen Tannenbaum,
dran hundert Lichter glänzen,
mit Marzipan und Zuckerschaum
und Schokoladenkränzen.

Doch dünkt dies alles euch zu viel,
und wollt ihr daraus wählen,
so könnte wohl der Pinselstiel
und auch die Mappe fehlen.

Als Hänschen so gesprochen hat,
sieht man die Eltern lachen:
„Was willst du, kleiner Nimmersatt,
mit all den vielen Sachen?

„Wer so viel wünscht“ – der Vater spricht’s –
„bekommt auch nicht ein Achtel –
der kriegt ein ganz klein wenig Nichts
in einer Dreierschachtel.“

Heinrich Seidel, 1842-1906