Wozu man Emotionen auch gebrauchen kann

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Lachen kann ansteckend sein. Fängt einer in einer Gruppe an schallend zu lachen, stimmen meist die anderen, auch ohne zu wissen warum, in das Gelächter ein. Emotionen verhalten sich wie ein ansteckender Virus. Wir schicken mit jeder Emotion Signale aus, die subtil auf das Gegenüber wirken, leider auch Wut und Hass, Vorurteile und Aggressionen.

Ohne die Emotionen eines Gegenübers zu erkennen, sich einzufühlen und auf sie einzugehen würde keine soziale Gruppe existieren können. Das ist in Freundschaften, Ehen, Familien, Vereinen, ja im gesamten Zusammen- und Miteinanderleben so.

Menschen, die ihren Mitmenschen empathisch gegenüber treten, sind dann auch meist diejenigen, die gut führen, organisieren, mitreißen können. Sie halten eine soziale Gruppe zusammen und am Leben. Sie sind Kitt und Motor, Versteher und Richtungsweiser.

Die Grundlage dazu lernen wir schon in jüngsten Jahren. Wie wir bereits lesen konnten, können schon kleine Kinder den Schmerz anderer erkennen und tröstend auf sie einwirken. Diese Grundlage wird im weiteren Lebensverlauf immer mehr verfeinert und verbessert.

Beobachtet man eine Gruppe spielender Kinder und ein neu dazukommendes Kind, kann man schon die zukünftigen Mauerblümchen oder Partylöwen erkennen. Vorausgesetzt, das Kind hätte keine Gelegenheit, sein Verhalten anzupassen.

Was machen nun die zukünftigen Partylöwen so anders? Sie schauen erst einmal längere Zeit zu. Intuitiv erkennen sie die Regeln innerhalb der Gruppe und werden versuchen, sich möglichst ähnlich zu verhalten. Sie können erkennen, welches Kind aus der Gruppe am ehesten bereit ist, es in das Spiel zu integrieren. Vorsichtig wird das noch außenstehende Kind spiegeln, was das andere macht. Nicht von vornherein seine Regeln verkünden, sondern sich anpassen und unterordnen, den Platz annehmen, dem ihm die Gruppe zuweist. Erst später wird es seine Anregungen und Spielvorschläge einbringen. Diejenigen, die sich nicht so geschickt verhalten, werden oft mit rüden, direkten Worten zurückgewiesen: mit dir spielen wir nicht.

Die Kunst des Miteinanders ist es also zu verstehen, was empfindet der Andere. Wie kann ich mich empathisch in ihn hinein versetzen und mich durch verstehen und einfühlen „sympathisch“ machen.

Leider kann dieses Vorgehen auch manipulierend benutzt werden. Prediger, Politiker und andere Führungspersönlichkeiten können somit jede Stimmung erzeugen, die ihnen nützt, Vorurteile bestätigen, sie manifestieren, Andersartigkeit ins Abseits stellen und sogar verteufeln: Mit dir spielen wir nicht!

Wehe, wenn sie ihre „soziale Kunst“ missbrauchen.

Dann werden aus Führern – Verführer, aus Verstehern – Despoten, aus Richtungsweisern – Untergangsauslöser.

Wut-entbrannt und Hass-erfüllt?

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Was macht uns eigentlich wütend? Wie entsteht aus einer „normalen“ Emotion die überbordende Wut? Wie kann Wut in Hass überschlagen? Was passiert da mit uns? Haben Wut und Hass in der evolutionären Weiterentwicklung eine Daseins-Berechtigung?

Fragen, die sich mir immer wieder stellen, wenn ich Nachrichten über Wutbürger, Amokläufer, aufgebrachte Menschenmengen, radikalisierte Demonstranten, etc. lese, höre oder sehe.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass es 4 Grund-Emotionen gibt, die jeder Mensch auf dieser Welt versteht: Furcht, Zorn, Trauer und Glück.

Wut und Hass gehören zu der emotionalen Kategorie „Zorn“, in der sich auch Empörung, Groll, Aufgebrachtheit, Entrüstung, Verärgerung, Erbitterung, Verletztheit, Verdrossenheit, Reizbarkeit, Feindseligkeit, aber auch im Extremfall Hass und Gewaltätigkeit befinden.

Finden wir nicht schon bei dieser Aufzählung Parallelen zu unseren Nachrichten?

Paul Ekman, ein amerikanischer Anthropholge und Psychologe, sagte zum Zorn: „Zorn ist die gefährlichste Emotion. Der ungebremste Zorn ist heute eines der großen Probleme, die die Gesellschaft zerstören. Unsere Emotionen haben sich in einer Zeit entwickelt, als wir noch nicht die Technik hatten, sie wirkungsvoll umzusetzen. Wenn man in vorgeschichtlichen Zeiten einen Wutanfall und einen Moment lang Lust hatte, jemanden umzubringen, war das nicht so einfach. Doch heute ist das ganz einfach geworden.“

Was läuft im Gehirn ab, wenn wir wütend werden?

Wenn wir etwas sehen, hören oder riechen sendet unser Gehirn einen Teil der Informationen direkt an den Mandelkern. Der Mandelkern ist der Bereich unserer emotionalen Erinnerungen. Er hat abgespeichert, ob wir uns zur Flucht oder zum Angriff rüsten müssen. Bevor sozusagen unser Verstand einsetzt, werden u.U. lebensrettende Maßnahmen sofort eingeleitet. Das ist ja auch notwendig, wenn wir einem gefährlichen Tier begegnen oder einer sonstigen gefährlichen Situation gegenüber stehen.

Erst danach wird die vollständige Information verarbeitet, unser „Verstand“ übernimmt die Kontrolle und korrigiert die vielleicht inadäquate Reaktion, in dem er sie neu beurteilt.

Überschäumende Emotionen des Mandelkerns werden im präfrontalen Kortex, also dem, was sich hinter unserer Stirn verbirgt, gezügelt. Dieser „Manager unserer Emotionen“ beauftragt  gleich eine „Kosten-Nutzen-Analyse“ aller erdenklichen Reaktionen und wählt den „Best-Case“ aus. Für den Best-Case haben wir Menschen ein großes Repertoire  zur Verfügung. Wir können beschwichtigen, überreden, um Sympathie werben, Schuldgefühle beim Gegenüber erzeugen, jammern, Verachtung zeigen, stören, behindern, verhindern, weglaufen oder angreifen.

Der Manager unserer Emotionen wird im Laufe eines Lebens geschult. Dabei hat unsere Kindheit einen wesentlichen Einfluss auf die Muster, die wir zur Reaktion auf Situationen zur Verfügung haben.

Die erste Lektion, die schon im Kleinkindalter gelernt wird, ist sich bei Aufregungen selbst beruhigen zu können. Säuglinge werden noch von den Eltern oder einer Betreuungsperson auf den Arm genommen und gewiegt, bis sie sich beruhigen. Dank dieser Erfahrung beginnt das Kind zu lernen, wie es dies auch allein erreichen kann.

Im Kindesalter können Eltern ihren Kindern weiter zeigen, wie man über seine Gefühle sprechen kann, dass emotionales „Fehlverhalten“ nicht gemaßregelt wird, sondern Problemlösungen angeboten werden.

Eltern oder Betreuer vermitteln also die wichtigsten Lektionen und bringen ihnen emotionale Gewohnheiten bei. So können sich die Verantwortlichen auf die emotionalen Bedürfnisse der Kinder einstimmen und diese befriedigen. Auch wenn eine Bestrafung notwendig wird, kann man dem Kind Empathie entgegenbringen und auf die Not des Kindes eingehen. Das ist auf jeden Fall wirkungsvoller, als die Not zu ignorieren und es durch Brüllen und Schlagen willkürlich zu bestrafen.

Im Kindesalter werden also schon die Schalter umgelegt, wie ein Mensch in seinem weiteren Leben reagieren wird. Glücklicherweise bleibt das menschliche Gehirn ein Leben lang lernfähig und kann alte Verhaltensweisen durch neue ersetzen. Das dauert dann aber ein bisschen länger und kann bis dahin viel Leid erzeugen.

Wenn ich kleine Geschichten aus meinem Umfeld höre, dann denke ich oft, was ist da bei der Erziehung schief gelaufen? Oder bin ich nur ein Traumtänzer, der nicht akzeptieren will, dass Wut und Hass zu unserem Leben dazu gehören?

Versucht einmal eure Gefühle zu erkennen und sie zu benennen. Wie drücken sich die Gefühle aus? Wie heftig sind sie? Wie könntet ihr anders damit umgehen? Versucht eure Impulse zu zügeln.

Was glaubt ihr, sind die nachfolgenden Reaktionen angemessen? Wer schädigt sich am meisten?

  • Ein älteres Ehepaar verkauft sein Haus,  das es schon seit über 40 Jahren bewohnt, weil im Nachbarhaus Asylbewerber eingezogen sind.
  • Mit Halbwissen werden Meinungen in sozialen Netzwerken verteilt, die bei genauerer Betrachtung nicht haltbar sind.
  • Verschwörungstheorien verbreiten Angst unter den Leichtgläubigen.
  • Vorm „Anderssein“, ob Glaube oder Äußeres, wird gewarnt und möglichst negativ ausgeschmückt, obwohl nicht eine einzige „Berührung“ zum Andersartigen stattgefunden hat.
  • Auf einem Klosterhof werden schwarze Kinder geschnitten. Man steht sogar auf, wenn diese sich auf eine Bank setzen.
  • Spielenden Kindern im Sandkasten wird von „weißen“ Müttern das Spielzeug aus der Hand gerissen und die eigenen Kinder weg gezogen.
  • Beim Erdkundeunterricht drehen sich alle zu dem einzigen farbigen Kind um, wenn über die Armut und das „primitive“ Leben gesprochen wird.
  • Bei der Wiedervereinigungsfeier halten junge Burschen Plakate hoch, auf denen steht „aus Ostpreußen vertrieben“. Nach Adam Riese ist das nicht möglich. Das können höchstens Eltern, eher Groß- oder Urgroßeltern sein.

Viel besser wären eine positive Einstellung zum Leben, Kommunikation, die Sichtweisen anderer verstehen und eine realistische Selbstwahrnehmung mit realistischen Erwartungen.

Lassen Sie uns in den nächsten Wochen damit arbeiten.